Colin Kaepernick ließ wenig Spielraum für Interpretationen, als er am Tag nach dem Ende der regulären Saison gefragt wurde, ob er für seine sechste Saison zu den 49ers zurückkehren wolle.
Die Frage war als eine „ja-oder-nein“ Frage gestellt, aber Kaepernick entschied sich lediglich, auf seinen Vertrag zu verweisen: „Ich steht unter Vertrag. Ich bin ein 49er. Ich mache alles, was in meiner Macht steht, um für die nächste Saison bereit zu sein.“
Es besteht wenig Zweifel, dass Kaepernick sich einen neuen Anfang wünscht – ähnlich wie Alex Smith nach der Saison 2010. Damals überzeugte der neue Headcoach Jim Harbaugh Smith, dass dieser auch bei den 49ers von vorne beginnen könne.
Der Unterschied: Smith war 2011 Free Agent, hatte aber wohl keine wirklichen Interessenten. Kaepernick hingegen kann nicht alleine über seine Zukunft entscheiden.
Mit Blick auf diese Entwicklung sagte 49ers CEO Jed York kürzlich, dass auch Colin Kaepernick mit einem neuen Headcoach Chip Kelly und seinem komplett neuen Staff beim gleichen Team einen Neuanfang haben kann.
Gestern gab es einen ersten Bericht in der New York Daily News, dass Colin Kaepernick aber die 49ers lieber verlassen würde – in Richtung New York Jets. [Anm: die ersten Dementis sind ebenfalls gestern erschienen]. Sollte der wirklich verfügbar sein – entweder per Trade oder nach einem Cut – dürfte es einige Teams geben, die an ihm Interesse haben, inklusive den Houston Texans, Cleveland Browns und Denver Broncos.
Aber die 49ers sind das einzige Team, dass wirklich Kontrolle über die Situation hat. Immerhin steht Kaepernick noch bis nach der Saison 2020 unter Vertrag.
Sollte Kelly ihn nächstes Jahr im Team haben wollen, dann wird er auch im Team sein. Und dann ist es auch Kellys Aufgabe Kaepernick von seinem System und seinem Methoden zu überzeugen. Danach muss er ihn wieder dahin bringen, wo er bereits einmal war, als er 2012 quasi über Nacht ab Mitte der Saison bis hin zum Super Bowl zur Sensation in der NFL wurde.
Danach verlief es allerdings für Kaepernick nicht mehr unbedingt nach Plan. Seine Produktivität im Passspiel sankt schrittweise in den beiden nachfolgenden Jahren. Letzte Saison spielte er unter dem überforderten Coaching Staff, der Harbaugh und sein Erfolgs-Staff ersetzte, so schwach, dass er Mitte der Saison durch Blaine Gabbert ersetzt wurde.
In der Folge wurden drei unterschiedliche Verletzungen öffentlich: an seiner linken Schulter, im linken Knie und am rechten Daumen. Alle drei Verletzungen erforderten eine Operation. Kaepernick war wohl nicht glücklich über das Verhältnis mit der medizinischen Abteilung des Teams und hatte wohl schon das Gefühl, dass das Team ihn hängen lassen würde. Als er 2014 seinen neuen Team-freundlichen Vertrag unterschrieb, ging er davon aus, dass das dadurch gesparte Geld genutzt würde, um einige der zukünftigen Free Agents zu halten. Doch das passierte nicht.
Aber das Mißtrauen beruhte auf Gegenseitigkeit. Die 49ers hatten das Gefühl, dass Kaepernick sich gegen seine Mitspieler abschottete. Die Receiver konnten ihren Frust oft nicht verbergen, wenn sie das Gefühl hatten, weit offen gewesen zu sein – und Kaepernick sie ein ums andere Mal nicht gefunden hat. Nach dem Wechsel scharten sich dann alle hinter dem neuen Starter Blaine Gabbert in der Hoffnung auf einen frischen Wind.
Zu der Zeit hörte man auch die ersten Stimmen, dass Gabbert im Vergleich zu Kaepernick viel mehr Zeit im Filmraum verbrachte und sich deutlich intensiver mit der mentalen Vorbereitung auf ein Spiel befasste.
Es war zu der Zeit offensichtlich, dass wirklich alle für einen Neustart bereit waren. Aber jetzt gibt es nur noch eine Person, deren Meinung in Bezug auf Kaepernick relevant ist: der neue Headcoch Chip Kelly.
Der hat sich jedoch bei seiner Vorstellung extrem bedeckt gehalten und sagte sogar, dass er auf Grund von CBA-Restriktionen nicht über Kaepernick sprechen dürfe. Es ist unklar, ob er einfach nur zurückhaltend war oder er tatsächlich einen Fehler in der Interpretation gemacht hat. Immerhin ist er unter Vertrag und daher könnten die 49ers über ihn sprechen wie es ihnen beliebt. Mit ihm dürfen sie allerdings bis zum 4. April nicht über Football-spezifische Themen sprechen. Ab diesem Tag dürfen die 49ers als Team mit einem neuen Headcoach mit dem Off-Season Programm beginnen.
General Manager Trent Baalke deutete auf jeden Fall schon mal an, er plane mit Kaepernick für diese Off-Season. Kaepernicks Grundgehalt in Höhe von 11,9Mio$ ist ab dem 1. April vollständig garantiert. Jedoch auch mit diesen Garantien haben die 49ers einen Cap Space von über 50Mio$.
„Derzeit spricht jeder über die Deadline am 1. April“, sagte Baalke vor knapp zwei Wochen. „Es gibt aber keine Deadline am 1. April die uns beunruhigt. Die erste Priorität ist, dass er gesund wird. Danach kommt er ins Off-Season Programm und dann geht es los.”
Kaepernicks Grundgehalt ist nur für den Fall einer Verletzung garantiert (bzw. wenn er am 1. April noch auf dem Roster ist). Daher werden die 49ers ihn wohl nicht einfach entlassen, während er in der Reha ist. Ende des Monats beginnt die NFL Scounting Combine. Dies ist eine interessante Zeit, da hier Teams und Spieleragenten erstmals direkt aufeinandertreffen und die gegenseitigen Interessen ausgelotet werden. Hier werden die 49ers wohl auch ein Gefühlt bekommen, wie groß der Trade-Value von Kaepernick ist.
Je mehr Teams sich für ihn interessieren, desto mehr kann man natürlich für ihn bekommen. Die Trade-Periode beginnt dieses Jahr am 9. März. Sollten die 49ers diese Saison abgeben, würden sie knapp 8,5Mio$ an Cap-Space einsparen.
Aber egal sie sehr sich Kaepernick ein solches Szenario eventuell wünscht, es wird nur dann passieren, wenn Kelly entscheidet, dass er Kaepernick nicht als Starter der 49ers haben will.
Quelle: CSNBayArea (Matt Maiocco)