Als die 49ers vor einem guten Jahr einen neuen General Manager suchten, war von Terry McDonough die Rede, dem Vice President of Player Personnel der Cardinals, von George Paton, dem Assistent GM der Vikings, und von einem mysteriösen dritten Kandidaten, über den kein Außenstehender etwas wusste. Gab es den Mann überhaupt?
Es gab ihn, und der Außenseiter bekam den Job: John Lynch, Ex-Star-Safety und dann neun Jahre lang TV-Experte. Damit hatte der neue GM genau null Minuten Front Office-Erfahrung. Viele fragten sich damals, ob die Niners wieder Russisch Roulette bei einem Schlüsselposten spielten. Aber Lynch wollte diesen Posten und hatte deshalb beim neuen 49ers-Coach Kyle Shanahan angeklopft, mit dem er sich verstand.
Die damals für die 49ers so ungewohnte Vertraulichkeit, mit der die Personalien Lynch über die Bühne gebracht wurde, setzte den Ton für die Zukunft. Unter dem Duo Lynch und Shanahan, und mit einem CEO Jed York, der den beiden Raum gibt, hat sich die Kultur bei den 49ers grundlegend geändert - und zwar in zwei ganz unterschiedlichen Bereichen.
1. Man gilt wieder als seriös
Fehlender Stil hatte zum Niedergang der Niners beigetragen, als man auf dem sportlichen Höhepunkt war. Da waren die Durchstechereien, mit denen der schwierige, aber erfolgreiche Jim Harbaugh unterminiert wurde. Da war ein unglücklich agierender Jung-CEO, der gut dastehen wollte und deshalb seinen bevorzugten Beatwritern offenbar immer wieder Insider-Informationen steckte, die besser intern geblieben wären. Und da war ein General Manager mit Trent Baalke, der sportlich nicht mehr viel auf die Reihe bekam, dafür aber hintenrum seine Machtkämpfe inszenierte. Die Folge waren zwei als One-Year-Bust verglühende Headcoaches mit Jim Tomsula und Chip Kelly.
All das hat sich unter dem neuen Führungs-Duo/Trio grundlegend geändert: Öffentliche Auftritte sind jetzt strukturiert und angemessen, Interna hingegen bleiben intern. Und die NFL geht davon aus, dass dies die Männer sind, die auf Jahre hinaus ihren Job in San Francisco machen werden und entsprechend planen. Das alles hat die Niners zu einem deutlich attraktiveren Arbeitgeber gemacht, wozu der enorme Cap-Space sicher auch beiträgt.
2. Es gibt einen Plan für das Team
Man hat sich an schnelle Entscheidungen gewöhnt in San Francisco. Aber die Zahlen sind dennoch beeindruckend, wie konsequent der Umbau des Teams angegangen wurde: Von den 89 Spielern, die bei den 49ers in der Saison 2016 unter Vertrag waren, waren Ende der 2017-Saison nur noch 23 übrig geblieben. Auf Schlüsselpositionen wie Quarterback, Receiver, Running Back oder Pass Rusher wurden alle Starter ausgetauscht mit einer einzigen Ausnahme, und das ist Running Back Carlos Hyde.
Soviel Veränderung gab es bei keiner anderen Franchise. Und die Niners stützten sich stärker auf ihre Rookies als jedes andere Team. Ab Woche vier spielten nie weniger als 10 Rookies, einmal kamen sogar 14 zum Einsatz. Auch dafür zahlte man anfangs den Preis mit einem 0-9 Start. Aber die Rookies wurden gegen den Trend stärker zu Saisonende und das, sowie natürlich der Wunder-Trade für Jimmy Garoppolo, waren Faktoren für den Umschwung.
Lynchs erste Draft ist eine der besseren in der 49ers-Geschichte: Mit CB Whiterspoon (3), WR Taylor (5), TE Kittle (5) und Safety Colbert (7) schlugen genau die späteren Picks ein, die unter Baalke eine Katastrophe waren - der setzte bekanntlich auf Ich-weiss-es-besser-Picks und holte gern Spieler, die sich entweder schwer verletzt hatten oder an deren Charakter es Zweifel gab. Die meisten davon konnten die Niners abschreiben.
Auch Lynchs Draft war nicht perfekt: Vom Top-Pick Solomon Thomas hätte man sich mehr erwartet - wobei DLer wie er oft erst in der zweiten Saison den Durchbruch schaffen. Pick Nr. 2 Reuben Foster wurde kürzlich wegen Marihuana-Besitzes verhaftet. Er muss professioneller werden, wenn er sein Potenzial langfristig entfalten will. Und RB Joe Williams hatte nicht einen Snap - bedauerlich angesichts der Tatsache, dass die Niners einen Pick nach New Orleans getradet hatten, mit dem die Saints die Rookie-Sensation Alvin Kamara drafteten. Kamara holte als RB sieben Rookie-of-the-week-Auszeichnungen.
Unter dem Strich war Lynchs Draft wohl dennoch besser, als die letzten drei von Baalke zusammengenommen. Nicht schlecht für einen Rookie! Und jetzt muss er zeigen, was er mit mehr als 100 Millionen an Cap-Space anzustellen vermag.
Quellen: Sacramento Bee; Niners Nation, ESPN